Lyrik über Auschwitz
Kleiner Zopf
Als alle frauen
des transports rasiert waren
fegten vier arbeiter
mit besen aus lindenlaub
das haar zu einem haufen
Da liegt
das spröde haar
der vergasten
nadeln und hornkämme
stecken darin
Kein licht durchleuchtet es
kein wind zerwühlt es
keine hand kein reen
kein mund berührt es
In großen kisten
ballt sich trockenes haar
der vergasten
darunter ein kleiner grauer zopf
rattenschwänzchen mit schleife
an dem in der schule
die frechen buben zupften.
Tadeusz Rozewicz, 1948
(aus dem Polnischen von Karl Dedecius)
Betrachtungsweise
Schauen kann man auf die
Welt
durch:
ein Vergrößerungsglas der Betroffenheit
ein Verkleinerungsglas der Verzweiflung
durch Finger durch Tränen
schwarze blaue und rosa Brillen
ein Schlüsselloch
ein Glas das die Sonne verdunkelt
einen Gewehrlauf
durch
Tausende leerer Brillen
im Museum von Auschwitz
Henryk Jasiczek
Auschwitz heute
Sprich leise:
Block XI:
Im Mittelgang
summt, defekt,
eine Neonröhre.
Tote sind Fotos,
endgültig. Niemand
wird alarmiert.
Sprich leise:
Deutsch
klingt vertraut.
Kay Hoff
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