„Gewand oder Uniform - Wie aus normalen
Männern Massenmörder werden“
Aktuelles aus der Austellung – Teil 8
– zu diesem Thema war Georg Mertes vom
Förderverein Gedenkstätte KZ Hinzert e.V. eingeladen zu sprechen
und zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen. Interessant waren
schon seine Vorbemerkungen: Erklären heißt nicht entschuldigen,
verstehen heißt nicht Verständnis haben und vergleichen heißt
nicht gleichsetzen.
Klar ist, dass die Gräueltaten in der NS-Zeit tausende
unmittelbare Täter und hunderttausende Helfer und Helferinnen
hatten. Es gibt unterschiedliche Annäherungen, das Phänomen des
Mitmachens zu erklären.
Götz
Ahly geht vom Neidgefühl aus, das auf
dem hohen Bildungs- und Erfolgsgrad der jüdischen Bevölkerung
fußte und sich mischte mit einem theologisch unreflektierten
Antijudaismus. Harald Welzer bezieht sich
auf sog. Referenzrahmen (man kann auch sagen
„Verpflichtungszusammenhänge“): Die Gewaltgewöhnung und die
Normalität des Militärischen durch den 1. Weltkrieg, der
Untertanengeist des 19. Jahrhunderts und die Ablehnung von
Eigenverantwortung, an die die
Nazi-Propaganda problemlos anschließen konnte. Der engere
Verpflichtungszusammenhang ergibt sich aus dem Erwartungsdruck
der sozialen Gruppe, aus eingeübten
Verhaltensmustern und der Angst vor gesellschaftlicher
Ausgrenzung. Dass die Mehrzahl der „Ideologieträger“ junge,
männliche, aufstrebende Karrierebewusste waren, verband sich
leicht mit dem idealisierten Heldenbild aus der Romantik. Die
Systematisierung des Tötungsvorgangs trug dazu bei, die
Brutalität als „Arbeit“ zu definieren, die Zerlegung der
Todesmaschine in einzelne Schritte verhalf dem Einzelnen dazu,
sich der Verantwortung entziehen zu können. Dass man völlig
straffrei brutal sein durfte, trug ebenfalls dazu bei wie ganz
banale Motivationen wie Aussicht auf
Beförderung,
Belohnung, Anerkennung. Neu war für die meisten der 30
ZuhörerInnen, dass man sich dem Befehl zur
Tötung entziehen konnte, außer in den letzten Monaten des
Krieges, als die Verwaltung der Todesmaschine vollends aus dem
Ruder lief.
Die Tötungsbereitschaft lässt sich nicht endgültig erklären, es
bleibt immer noch das „Geheimnis der eigenen Entscheidung“, der
Rest an Eigenverantwortung, vor dem niemand die Augen schließen
sollte. Politisch lernen lässt sich jedenfalls, dass wir heute
die sog. „Referenzrahmen“, also die Verpflichtungszusammenhänge
und Abhängigkeiten, die gesellschaftlichen, politischen und
wirtschaftlichen Erwartungen an uns ständig kritisch im Auge
behalten sollten – mit dem Ziel, auf die Veränderung der
Referenzrahmen Einfluss zu nehmen. |